Unsere erste längere, zweiwöchige Tour, die wir als junge Motorradreisende
unternahmen, führte uns gleich einmal in die Westalpen.
Da wir es noch nicht anders kannten fuhren wir mit den Motorrädern los. Das
Gepäck war noch recht übersichtlich. Jeder hatte ein Topcase und eine ca. 50 Liter
Packtasche am Soziusplatz mit Gummiexpandern verzurrt.
Trotzdem hatten wir eine fast komplette Campingausrüstung - also Zelt, 2 U-Matten
und 2 Schlafsäcke, jedoch keinen Gaskocher und kein Kochgeschirr - mit. Der Plan
war jeden Tag irgendwo in der Nähe des Campingplatzes in einer Pizzeria essen zu
gehen.
Die erste Tagesetappe könnte so, oder so ähnlich ausgesehen haben. 2003 hatte ich
noch kein Navi und wir fuhren zur Orientierung und Navigation mit der Papierkarte
am Tank. Eine, im nach hinein betrachtet, eigentlich sehr gefährliche Art und Weise
zu navigieren, weil man bei jedem Blick auf die Straßenkarte gleichzeitig das
Verkehrsgeschehen aus den Augen verlor. Und man blieb nicht jedesmal stehen,
wenn man mal auf die Karte blicken musste.
Auf alle Fälle war unser Tagesziel eine Ortschaft, in der eine der legendärsten
Motorradmarken Europas, wenn nicht des ganzen Planeten hergestellt wird -
Madello del Lario. Dort werden all die Moto Guzzis gebaut.
Die Fahrt dorthin war für uns Greenhorns recht abwechslungsreich. Erst fuhren wir
über Teisendorf, Ruhpolding und Reit i. Winkel nach Kufstein. Von dort über die
Autobahn weiter Richtung Innsbruck. Dort musste Verena bereits nach 170 km
tanken, weil sie vergessen hatte den Choke zurück zu stellen - Anfängerfehler!
Von Innsbruck ging es dann entlang der Bundesstraße über den Brenner. In Sterzing
dann rauf auf den Jaufenpass. Was für ein Abenteuer! Weiter ging es über das
Gampenjoch, den Passo del Tonale und den Passo del Aprica ins Valtellina (Veltlin).
Entlang der Ostseite des Lago di Como fuhren wir dann bis Mandello di Lario. So
schön die Gegend dort am Comer See ist, so mühsam war die Fahrt entlang der
Uferstraße durch die zahlreichen Dörfer, die sich wie eine Perlenschnur entlang des
Ufers aufreihen. Dazu muss man noch wissen, dass es heiß war, sehr heiß. Wie wir
heute wissen, war der Sommer 2003 einer der heißesten, den es seit Aufzeichnung
der Klimadaten gegeben hat.
In Mandello angekommen suchten wir uns, bereits völlig aufgelöst, erstmal einen
Campingplatz, den wir auch fanden. Aber, der war ziemlich voll und unser Stellplatz
war auch nicht gerade das, was man schön nennt ... aber es war ja nur für eine
Nacht. Nachdem wir das Zelt aufgestellt hatten erfrischten wir uns im See - was für
ein Genuss nach einem langen heißen Tag.
Zum Abschluss des Tages gingen wir dann noch in eine Pizzeria um uns ein gutes
Abendessen zu gönnen.
Am darauf folgenden Tag wollten wir, um unsere Anfahrt zu verkürzen den
Alpenbogen über Mailand und Turin abkürzen. In Mailand haben wir dann eine
wichtige Abzweigung verpasst und sind immer weiter in die Stadtmitte gefahren ...
es war brutal heiß, und gerade Verenas TransAlp hatte große thermische Probleme
und grillte ihr rechtes Knie, weil andauernd der Ventilator heiße Luft darauf blies.
Irgendwie fanden wir aber dann den Weg aus Mailand raus und fuhren die rund 145
km nach Turin auf der Autobahn. Ab Turin verließen wir dann die Autobahn und
fuhren auf der Bundesstraße in das Susatal hinein. Bei Susa bogen wir dann Richtung
Norden ab um über den Col de Mont Cenis nach Frankreich zu fahren. Auf der
Passhöhe angekommen machten wir erstmal ein Pause, weil es auf gut 2000 m ü.d.M
angenehm kühl war.
Am Fuße der Südrampe
des Passes befindet sich
die kleine Ortschaft
Lanslevillard, in der wir
uns einen kleinen einfach
ausgestatteten
Campingplatz suchten.
Am Abend gingen wir in
das platzeigene Restaurant
essen ... aber als wir dort
die Preise für eine
(wirklich kleine) Pizza und
0,4l Bier sahen,
beschlossen wir, dass wir
uns am nächsten Tag einen
Gaskocher kaufen wollten,
weil das Essen gehen in Frankreich unser Urlaubsbudget sonst zu sehr beanspruchen
würde.
In den folgenden zwei Tagen - wir hatten noch immer Glück mit dem Wetter, und
das sollte sich bis zum Ende der Reise auch nicht ändern - fuhren wir von
Lanslevillard die höchsten und schönsten Alpenpässe. Für den Col d’Iseran oder den
Col de la Bonette fahren manch andere Motorradfahrer 2x, 3x oder gar 4x in das
Gebiet, weil eben in den Alpen das Wetter schnell umschlagen kann und man auf
2800 m ü.d.M. bei schlechtem Wetter nicht einfach so mal schnell rauffährt. Und
auch im August kann es dort oben schneien.
Col de la Bonette:
Col d’Iseran:
Col du Galibier & Col du Telegraph:
Alpe d’Huez & Col de Sarenne:
Cormet de Roselend & Col de Aravis:
Auch die Assietta Kammstraße (AKS)nahmen wir in Angriff. 2003 verfügten wir noch
über keinerlei Erfahrung für das befahren von nicht asphaltierten Straßen bzw.
Schotter- u. Erdpisten. Auch unsere Bereifung war viel zu stark auf den
Asphaltbetrieb ausgelegt. Erschwerend kam bei diesem “Abenteuer” dazu, dass von
Osten her ein Gewitter aufzog ... wir und also nicht endlos viel Zeit lassen konnten.
Aber es sollte trotzdem ein unvergessliches Erlebnis werden.
Wir begannen die Befahrung der AKS in Susa. Über eine sehr enge
Serpentinenanlage, die aber noch asphaltiert war, aber später in eine, teilweise
grob geschotterte, Piste überging erklommen wir mit unseren Motorrädern den Col
delle Finestre.
Nach dem Col delle Finestre folgten wir dem Verlauf der Kammstraße. Dabei
befindet man sich ständig in Höhen zw. 2100 - 2500 mü.d.M. und passiert dabei
etliche Passübergänge bis man dann bei Sestriere die Kammstraße wieder verlässt.
Im nachhinein kann man sagen, dass sich die AKS leicht befahren lässt und für
Einsteiger einen optimalen Anfang in das Metier des Endurowanderns dastellt -
wenngleich es mit leichteren Motorrädern als z.B. der Honda Varadero als auch
etwas gröberen Reifen mit mehr Negativprofilanteil leichter und einfacher wird.
Nach zwei Tagen in Lanslevillard packten wir
unser Zeug zusammen um weiter in den
Süden zu fahren. Den nächsten
Campingplatz den wir ansteuerten, lag in
der Nähe der kleinen Ortschaft Jausiers. Und
dort trafen wir ein paar lustige Leute, die
von einem Moto Guzzi Treffen über
geblieben waren.Von einem dieser
Franzosen die Frau oder LAP
(LebensAbschnittsPartnerin) war Deutsche
und so war bald Kontakt geknüpft. Und als
V2-Fahrer waren wir bei den Guzzisti
herzlich willkommen und wurden sogleich zu
einem Pastis eingeladen. Je einer der
Guzzisti transportierte dabei den Schnaps,
das Wasser und die Eiswürfel ... nur zu Dritt
konnten sie das Getränk mixen. Außerdem
erinnerten uns zwei von den Guzzisti frappant an Asterix und Obelix.
Am Abend setzten wir uns mangels anderer mitgenommener Sitzgelegenheiten auf
unsere Topcases und kochten uns mit unserem neuen Gaskocher unser Abendessen.
Ravioli aus der Dose - wir hatten ja auch kein Kochgeschirr mitgenommen.
Zum Essen haben wir uns im Supermarkt außerdem noch mit Paptellern und
Plastikbesteck versorgt.
Die beiden Bierdosen die hier im Vordergrund zu sehen sind, dienten uns am
nächsten Tag beim Frühstück zum Kaffeewasser kochen.
Auch von Jausiers aus machten wir wieder verschiedene Touren und fuhren viele
interessante Passstraßen und Schluchten.
Col de la Croix de Fer:
Gorges de Daluis & Gorges de Cians:
Col de la Cayolle:
Nach einigen Tagen in Frankreich mit einigen Touren die uns auch in das franz./ital.
Grenzgebiet brachten mussten wir natürlich wieder nach Hause fahren. Bevor wir
uns auf die ital. Autobahn begaben um ordentlich Strecke zu machen fuhren wir
noch über den Col de Vars und den Col de Larche (ital. Colle della Maddalena) um
dann entlang des Flusses Stura bis nach Cuneo zu fahren. Ab Cuneo bis Brescia
fuhren wir auf der Autobahn. Von Brescia ging es dann über den Lago d’Idro bis
Pietramurata, welches ein paar Kilometer nördlich des Gardasees liegt. Dort
suchten wir uns einen Campingplatz und gingen nach einer Erfrischung noch auf
eine gute Pizza.
Am nächsten Tag fuhren wir dann u.a. über den Falzaregopass nach Hause. Und
unser Kater, war scheinbar wirklich froh sein Frauchen wieder zu haben.
Damit war unsere erste Frankreich bzw. Westalpentour vorüber. Aber die Region
dort sowie das Land haben uns so begeistert, dass dies nicht unser letzter Besuch
war.